Archive for April 2019

Beziehungs-ABC: V wie Vergangenes begleitet uns

29. April 2019

V wie Vergangenes begleitet uns

Wir haben eine lange Geschichte: jedeR für sich, und auch gemeinsam. Diese Geschichten sind unsere ständigen Begleiter. Im letzten Eintrag haben wir über das Unbesprochene und Unbestrittene nachgedacht, das unsere Beziehung belastet. Daher wenden wir uns heute den Dingen zu, die wir im Rucksack mit uns herumtragen, die wir jede aus den eigenen Erfahrungen mitgebracht haben.

Wenn eine von uns etwas tut, was der/dem Anderen aus einer früheren Beziehung schmerzlich bekannt ist, dann möchten wir gerne, dass der/die Andere damit aufhört, weil es uns weh tut. Das ist ein verständlicher Wunsch, und oft kann dem auch nachgekommen werden. Aber das ist ein Geschenk unseres Partners, dass er uns machen kann. Oder auch nicht. Weil was uns beängstigt oder ärgert, ist unsere Geschichte und nicht die Verletzung, die uns die Partnerin zumutet.

Denn wenn jemand etwas macht, ohne mir weh tun zu wollen, und die Sache auch an sich nicht verletzend ist, dann ist es meine persönliche Angst / Narbe, die mir da weh tut, und nicht der Fehler meines Partners. Und wenn ich etwas mache, was meinen Partner ärgert, weil das seine frühere Partnerin auch getan hat, die Handlung aber selbst nicht für jeden ärgerlich wäre, dann ist das sein Problem. Wenn wir freundlicherweise damit aufhören, weil wir nett sind, dann ist das ein Geschenk, und kein Recht, das wir einfordern könnten.

Sehr häufig bedeutet „du verletzt mich“ im Grunde „du erinnerst mich an alte Verletzungen“, und dann kommt es zur Angst, dass diese Verletzung sich wiederholen könnte. Wenn also zB meine Partnerin gelegentlich zu spät kommt, und ich das in einer früheren Partnerschaft als ausgesprochen respektlos erlebt habe, dann muss ich mir gut überlegen, ob das hier wieder der Fall ist. Oder ob nicht viel mehr meine Angst, dass ich unter derselben Respektlosigkeit wieder leiden könnte, das ist, was mich am meisten beschäftigt.

Dann darf ich mir die Behandlung meiner Wunden ermöglichen, dann darf ich mich selbst versorgen oder mir Hilfe holen, dann darf ich mich trösten und in den Arm nehmen lassen, auch von meinem Partner – solange mir und ihm klar ist, dass es gerade mein Problem ist, das ich versorge und nicht er sich ändern muss, nur damit ich mich nicht an meine Verletzungen erinnern muss. Ich kümmere mich um meine Narben und Ängste, und er sich um seine. Mit denen wiederum muss ich mich nicht beschäftigen, ich kann aber mit ihm darüber reden, kann klären, was ich mir denke, warum ich etwas mache – und vor allem: dass ich ihn liebe, auch wenn ich das weiterhin mache. Denn es ist nicht mein Problem, wenn er Angst hat. Aber alleine lassen werde ich ihn auch nicht in seiner Angst – also reden wir drüber, tröste ich ihn, halte ihn und sage ihm, dass ich ihn liebe. Und traue ihm zu, mit seinen Problemen fertig zu werden, so wie auch ich das von mir verlange. So ist allen geholfen, und wir erlauben einander sehr viel mehr.

Dann können wir einander gut so sein lassen, wie wir sind, und können gemeinsam darüber reden, wie wir mit unseren Unterschieden und Spannungen umgehen können. Wenn jedeR für sich selbst verantwortlich ist, bleibt viel mehr Kraft für das Gemeinsame, dass zu tun ist. Wenn wir nicht unsere Energie für gegenseitige Vorwürfe verschwenden, können wir uns dem zuwenden, was wir miteinander zu bewältigen haben. Dann können wir Hand in Hand unseren Weg gemeinsam gehen. Statt einander zu bekämpfen sind wir dann in der Lage, gemeinsam alle Widrigkeiten des Lebens zu meistern.

Beziehungs-ABC: U wie Unbesprochenes und Unbestrittenes

8. April 2019

U wie Unbesprochenes und Unbestrittenes

Wie verführerisch ist es doch, einfach „um des lieben Frieden willens“ nichts zu sagen, sich seinen Teil zu denken, nicht „unnötig einen Streit vom Zaun zu brechen“, die Dinge lieber unter den Teppich zu kehren, in der Hoffnung, dass sie von alleine verschwinden werden.

Damit wir uns richtig verstehen: ich bin durchaus auch der Meinung, dass nicht jeder Gedanke ausgesprochen sein muss, dass es manchmal klug ist, für den Moment nichts zu sagen, in der Erwartung, dass die Emotion, die man gerade hat, wieder vorbeigehen wird – denn das geschieht sehr oft, und dann ist es auch gut so.


Aber es gibt auch viele Themen, die angesprochen werden müssen, damit sie nicht als unausgesprochene Belastung zwischen uns hängen bleiben. Damit sie nicht bei nächster Gelegenheit als Waffe verwendet werden („immer bist du so, erst letztens hast du …!“) oder als Verletzung auf der Seele liegen bleiben. Diese Gespräche sind niemals einfach, und sie nicht zu einem Streit werden zu lassen, ist eine hohe Kunst. Aber selbst, wenn uns das nicht gelingt, und wir doch streiten – besser so, als sie liegen uns auf der Seele (und im Magen). Was nicht ausgesprochen wurde (und noch immer weh tut), ist wie eine Tretmine in der Beziehung. Und wenn man viele dieser gefährlichen Themen hat, dann erlahmt das Gespräch irgendwann, weil es dann das reinste Minenfeld wäre – und wer macht das schon freiwillig?

Wie kann das gelingen? Wir haben in der ganzen ABC-Reihe schon immer wieder die Grundzüge eines guten Gespräches aufgezeigt: es geht darum, die andere Person nicht dafür zu beschuldigen, dass sie so ist, wie sie ist, sondern gemeinsam einen Weg zu finden, mit den Unterschieden zwischen uns beiden umzugehen. Es wäre immer einfacher, wenn sich der/die Andere ändert – schon wäre ich mein Problem los. Aber das würde ja umgekehrt auch bedeuten, dass ich mich entsprechend der Wünsche meiner PartnerIn verändern müsste – und das geht doch gar nicht, oder?

Also: „Du darfst sein, wie du bist, und ich darf sein, wie ich bin.“ Wie finden wir einen Weg, mit den Unterschieden umzugehen? Wenn mich etwas an meinem Mann stört, dann habe ich ein Problem, und nicht er. Denn bloß weil es nicht so geht, wie ich mir das vorgestellt habe, ist das noch lange kein Grund, dass mein Partner sich ändern muss. Ich kann doch genauso gut meine Vorstellung ändern. Aber es muss wechselseitig sein: ich will auch gerne, dass er sich seine Probleme behält und nicht mir umhängt…

Und wenn wir diesen – meist unangenehmen – Gesprächen nicht aus dem Weg gehen, sondern uns mutig einander zumuten, wenn wir jedeR für sich versuchen, unsere Probleme zu lösen und einen guten Weg miteinander zu finden, dann wird das Unbesprochene /Unbestrittene sich auflösen und weder beim nächsten Streit als Waffe eingesetzt werden, noch länger auf unserer Seele als Verwundung liegen. Sie sehen also: es zahlt sich aus, sich diese Mühe zu machen. Am Schluss, wenn es uns gelungen ist, werden wir zu einer tieferen Intimität und eine größeren Vertrautheit, zu einer schöneren Liebe finden.