Archive for Juli 2021

Ein gutes Jahr: Vergebung 2021

28. Juli 2021

So gerne wir es vermeiden würden: manchmal passiert es, dass wir einander verletzen, dass wir Fehler machen, dass wir Dinge sagen, die uns später leid tun. Dann ist es notwendig, dass wir um Vergebung bitten.

Wohlgemerkt: ich kann MICH nicht entschuldigen, ich kann nur um Vergebung BITTEN. Ob ich die bekomme, liegt nicht vor allem an mir, sondern hauptsächlich an der anderen Seite. Es ist ist also meine Aufgabe, so um Verzeihung zu bitten, dass diese Bitte auch erhört wird.

Auf der anderen Seite liegt die Vergebung: wenn mich jemand verletzt, ungerecht behandelt oder beleidigt hat, und um Verzeihung gebeten hat, ist es an mir, diese Vergebung auch zu gewähren. Das gelingt meist recht einfach, wenn die Verletzung zeitlich begrenzt, und die Entschuldigung glaubhaft war, zB bei einem unabsichtlichen Anrempeln oder Auf-die-Zehen-steigen. Da ist es für beide Seiten meist einfach, das „Vergehen“ zu entschuldigen und zu vergeben.

Schwieriger wird es, wenn es sich um lange anhaltende Verletzungen handelt, bei denen die Unabsicht nicht leicht nachzuweisen, und auch oft nicht ganz glaubhaft ist. Dann bleibt oft so viel offen, dass eine Versöhnung wirklich schwierig ist, da die Frage nicht geklärt werden kann, wie es dazu gekommen ist.

Ich bin der Ansicht, dass Vergebung niemals eingeklagt werden kann, denn es braucht oft viel mehr als eine einfache Entschuldigung, damit Situationen zwischen zwei Menschen, die schief laufen, wieder geklärt werden können. Oft ist ja auch die Frage der Schuld nicht klar: niemals ist sie nur auf einer Seite, wenn es sich um längere und komplexere Situationen handelt.

Jede Verletzung wird mit einer Gegen-Verletzung erwidert, auch wenn es sich um eine ganz andere Art von „Gegenwehr“ handelt: wer angeschrien wird, kann beleidigt schweigen, wer angeklagt wird, traurig sein. Wer enttäuscht wird, wird bei einer anderen Gelegenheit etwas „vergessen“ (wir nennen das einen Freud´schen Fehler, das Unbewusste lässt grüßen!).

Auch wenn Menschen oft glauben, dass sie schuldlos sind – in einer Beziehung bleiben wir einander nichts auf Dauer schuldig: alles wird geahndet, absichtlich oder unabsichtlich.

Daher ist es so schwer, herauszufinden, wer mit etwas „angefangen“ hat, und wer „bloß“ reagiert hat. Wie es auch sei – Vergebung ist von beiden Seiten notwendig, und der erste Schritt ist oft der mühsamste. Aber „lieben“ ist ein tun-Wort: da wird ein Handeln von uns gefragt, dann wird sich das Gefühl der Liebe wieder einstellen.

Dann passt wieder zusammen, was zusammen gehört, dann finden wir einander wieder, dann schwingen wir wieder im Einklang – das ist das Ergebnis von Vergebung.

Egal, auf welcher Seite du dich glaubst – versuch es einmal: verzeihe, vergib – auch wenn du das Gefühl hast, dass du das Opfer bist (das ist sicher wahr, aber auch sicher falsch).

Erlebe, wie gut es sich anfühlt, wenn etwas bereinigt ist, wenn es wieder gut ist zwischen euch! Denn Unfriede ist immer zugleich außen und innen – und Friede, Freundlichkeit und Liebe auch.

Ein gutes Jahr: Großzügigkeit 2021

19. Juli 2021

Die Natur ist großzügig: sie verschenkt reichlich an alle, die von ihr nehmen wollen. Gerade jetzt, im Sommer, können wir an vielen Stellen diese Großzügigkeit verkosten. Beeren in Fülle, Marillen, Kirschen, Pfirsiche, Melonen – es ist eine Freude für alle, die das lieben.

Aber nicht nur beim Essen: die Natur verschenkt Grün in allen Schattierungen, dazu bunte Blumen, blaue Seen, weiße Wolken. Auch hohe Berge, die zum Wandern und Klettern einladen, Höhlen, die Kühle und Abenteuer versprechen, Seen und Meere, die zum Schwimmen, Segeln oder Rudern bereit sind. Wälder, die Schatten spenden, Gewitter, die Spannung abladen, Regen, der erfrischt.

(Aber die Natur ist auch nicht zimperlich: sie kann sich nicht selbst regulieren – die Hochwasser der letzten Tage zeigen, wie gewaltig sie auch ist, bedrohlich, ja, sogar tödlich sein kann. Es ist unsere Aufgabe, die Natur nicht zu zerstören, sondern sie so gut es in unserer Macht steht, zu beschützen – die Aufgabe von jeder und jedem, da kann sich keineR heraushalten!)

Aber zurück zur Großzügigkeit! Ich bin davon überzeugt, dass man niemals zu gutmütig oder großzügig sein kann. Ich weiß: es gibt immer wieder Menschen, die sich ausgenützt fühlen, die von sich sagen, sie wären „zu gut“ gewesen, und dann enttäuscht bei mir in der Praxis sitzen und frustriert sind.

Ich bin mit nicht sicher, ob es das gibt: zu großzügig, zu gut. Ich bin nämlich der Überzeugung, dass Güte und Großzügigkeit erstens Geschenke sind, die wir machen, ohne dafür etwas zu erwarten. (Sonst ist es ein Deal, der nicht besprochen war: „ich gebe dir, damit du mir gibst“. Wenn man das aber vorher nicht ausgemacht hat, sondern nur unterschwellig erwartet hat, dann kann man sehr enttäuscht werden. Aber ehrlich: das liegt nicht nur an der Undankbarkeit der Umgebung, sondern auch an der zu geringen Klarheit von einem selbst.)

Zweitens glaube ich, dass wir vor allem so leben sollen, dass wir uns am Abend in den Spiegel schauen können, und mit unseren Handlungen zufrieden sein können. Ich bin für mich selbst so, wie ich sein möchte, unabhängig davon, wie die anderen darauf reagieren.

Im wirklichen Leben wird das Maßband, das an Menschen angelegt wird, weder um den Kopf, noch um Bauch oder Po gelegt, sondern um das Herz.

Wir alle lieben den Kontakt mit großzügigen Menschen – seien wir selbst auch so, dass wir angenehme ZeitgenossInnen sind!

Lebe großherzig, verschenke freizügig, gib so viel du kannst – für dein eigenes Wohl! Wenn du von Herzen gibst, wird dir das selbst die größte Freude machen!

Ein gutes Jahr: Ekstase 2021

12. Juli 2021

Die Fußball-EM ist vorbei, das hat in den letzen Wochen viele Menschen in Ekstase gebracht. Einmal, weil Fußball immer für Überraschungen gut ist, ein gutes Spiel kann wirklich spannend sein! Dann, weil es Nationaleifer hervorruft, dabei auch Parteilichkeit mit Ländern, die man eher mag oder die man aus Prinzip nicht ausstehen kann (denen gönnt man den Auf- oder Ausstieg).

Und nicht zuletzt, weil es endlich wieder einmal etwas war, was nicht mit Krankheit, Vorsicht und Impfung zu tun hatte – das hatten wir schon dringend notwendig – ein Stück Normalität nach all dem Wahnsinn.

Richtig viel Freude macht auch der Sommer: Ferien, Urlaubszeit, Freibad / See / Meer, Sonnenblumen, Urlaubslektüre, Sandspielsachen, Sport, Spielen, Faulenzen …

Diese Zeit im Jahr ist mit viel Freiheit verbunden, alles muss nicht so schnell gehen, selbst wenn man nicht im Urlaub ist, fühlt es sich ein bisschen danach an: Freiluftkino, Open Air Konzerte oder einfach beisammen sitzen mit lieben Menschen.

Ek-stase kommt von außer-sich-sein. Es ist mit der Erlaubnis verbunden, nicht so ganz vernünftig zu sein, mehr mit dem Körper als mit dem Verstand zu denken, und den Alltag eine Zeit lang zu verlassen.

Was bringt Sie dazu, einmal alles um sich zu vergessen? Einmal un-vernünftig zu sein, ir-rational, ganz frei von Zwängen? Was machen Sie mit solcher Lust, dass der Körper „über den Kopf“ triumphiert?

Lust aufs Leben bringt uns dazu, und auch Lust am Leben. Lust ist ja prinzipiell etwas, das uns leicht in Ekstase bringt. Lust ist körperlich.

Und der Körper will seine Lust auch leben können. Er will spielen dürfen, frei sein, Spaß haben. Als Kind hatte ich immer unglaubliche Spaß daran, so hoch zu schaukeln, dass es in meinem Bauch gekribbelt hat – diese Mischung aus etwas Angst und Freude war total lustvoll.

Essen macht Lust, Tanzen macht Lust, Sex macht Lust – Leben macht Lust aufs Leben.

Wenn wir der Lust nachgeben, wenn wir uns hingeben an eine Sache, dann erfahren wir dieses Gefühl, außer uns zu sein.

Lust ist ein Stück Himmel auf Erden, wenn wir uns dieser Lust hingeben, erfahren wir, dass wir außer uns selbst sind – im „Himmel“.

Erlauben Sie sich das in dieser Woche besonders: ein Stück Himmel auf Erden!

Geraten Sie in Ekstase, kommen Sie in den Himmel!

Wir wissen nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, aber wir sind ganz sicher, dass es eines DAVOR gibt – lassen Sie sich das nicht entgehen!

Ein gutes Jahr: Hingabe 2021

5. Juli 2021

Hingabe bedeutet, sich ohne (allzuviele) Bedingungen für eine Sache einzusetzen. Es bedeutet daher, mit ganzem Herzen bei einer Sache zu sein, zB beim eigenen Leben, bei einem geliebten Menschen oder bei einer Idee / einem Projekt / einem Anliegen, an das man glaubt.

Wir haben – gerade in den letzten zwei Jahren – gelernt, alles irgendwie zu dosieren: unsere Hoffnungen, Erwartungen, Pläne. Alles steht unter dem Vorzeichen „falls es die Situation erlaubt“.

Das war wohl notwendig, aber ich befürchte, dass es uns daran hindert, mit Hingabe an etwas zu glauben, uns wirklich für etwas einzusetzen – weil wir befürchten müssen, dass es schließlich nicht eintreten könnte.

Das ist ein Phänomen, das ich nicht erst seit Corona kenne, sondern es war auch vorher schon da: „Ich freue mich lieber nicht, vielleicht tritt es ja nicht ein / vielleicht bekomme ich es nicht / vielleicht schaffe ich es nicht …“

Ich frage mich immer, wie es Menschen gelingen soll, sich nicht zu freuen, nicht etwas zu erwarten, was sie im Grunde schon erwarten, hoffen, freudig ersehnen. Das stelle ich mir schwer vor, denn Gefühle kann man nicht einfach nicht haben.

Wir sind nicht die HerrscherInnen über unsere Gefühle, wir können sie nicht haben oder nicht haben, wir können sie nur wollen oder nicht wollen, und wir sind nicht verpflichtet, nach ihnen zu handeln.

Das bedeutet, dass wir nicht darüber bestimmen können, was uns gefällt, worauf wir hoffen, was wir lustig finden, wen wir lieben, was uns interessiert oder langweilt. Wir können uns nicht aussuchen, welche Gefühle wir haben, aber wir können sehr wohl darüber entscheiden, wie wir mit diesen Gefühlen umgehen!

Wir können uns entscheiden, dass wir Gefühle schwierig finden – und wir können sie daher verdrängen, sie für „irrational“ erklären oder ignorieren. Wir können dann mit mehr oder weniger Aufwand ein emotionsloses oder -armes Leben führen.

Oder wir können unsere Gefühle zulassen, sie ertragen oder genießen, ein Leben voller Hochs und Tiefs leben, mit allen Vor- und Nachteilen, die das hat.

Was wir nicht können: nur die angenehmen Gefühle in aller Breite haben und die unangenehmen nicht spüren. Die Türe der Gefühle, sage ich gerne, ist entweder offen, angelehnt oder zu, aber was dann herauskommt, das können wir nicht bestimmen.

Das bedeutet auch, dass wir entweder mit Hingabe leben, und dann die Fülle der Emotionen erleben, oder dosiert, gebremst, gezügelt.

Verstehen Sie mich richtig: beides hat seine Vorteile, und es gibt kein „falsch“ in dieser Hinsicht. Wir müssen nur wissen, auf was wir uns einlassen, wenn wir uns für die eine oder die andere Variante entscheiden. Hoch-Zeiten und Tiefs können wir erfahren, oder Stabilität und Ruhe.

(Zum Glück ist es ja nicht so, dass es eine Entweder-Oder Entscheidung ist, dazwischen gibt es viele Abstufungen – suchen Sie sich eine Dosierung aus, die Ihnen gefällt!)

Wer sich einer Sache oder einer Person hingibt, wird Intensität erleben, die ihn/sie vielleicht sogar erschreckt, das kommt mit der Hingabe. Wer es lieber ruhig hat, sollte sich das mit der Hingabe besser gut überlegen…!

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht erringen, aber versuchen will ich ihn.

Das ist der Beginn eines Gedichtes von Rainer Maria Rilke. Er hat sich anscheinend dafür entschieden, sein Leben mit Hingabe zu leben: in wachsenden Ringen. Ich persönlich mache das auch so, denn ich finde:

Mein Leben ist zu kurz für Kompromisse!