Archive for August 2021

Ein gutes Jahr: Ewigkeit 2021

23. August 2021

Was bedeutet „ewig“? Wir kennen das Wort in verschiedenen Kontexten, sowohl in positiven („Ich liebe dich für alle Ewigkeit“), als auch in negativen („das dauert ja ewig“). Wie aber können wir uns das vorstellen: Ewigkeit?

Erst einmal: gar nicht. Denn ewig bedeutet ja nicht vor allem eine endlose Aneinanderreihung von Momenten / Tagen / Jahren (das wäre Unendlichkeit), sondern dass es keine Zeit gibt. Da aber unser Hirn nur in den Hauptkategorien „Raum“ und „Zeit“ denken kann, ist es für uns nicht wirklich vorstellbar, wie es sein kann, dass es die Zeit nicht gibt. Wir können uns ja auch nicht vorstellen, dass wir nicht auf einen konkreten Ort beschränkt sind.

Aber wir können ansatzweise erahnen, wie es sein könnte, die „Zeit zu verlieren“. Das erleben wir immer dann, wenn wir intensiv bei einer Sache sind. Dann erscheint uns die Zeit „wie im Flug“ vergangen zu sein, dann ist es auf einmal viel später, als wir dachten. Im besten Fall vergessen wir überhaupt, auf die Uhr zu schauen – weil es einfach nicht wichtig ist.

Um diesen Zustand zu erreichen, braucht es Achtsamkeit – die volle Konzentration auf den Augenblick. Wie man das erreicht, kommt ein bisschen auf die eigene Vorliebe an, auf jeden Fall bedeutet es, ganz bei der Sache zu sein, die man gerade macht.

Es gibt Menschen, die erreichen das, indem sie die Konzentration auf den Atem lenken, in meditativem Schauen oder Fühlen, im Hören auf die Laute der Umgebung, in der Versenkung in eine Tätigkeit oder dem achtsamen Spüren des Körpers. Wer in diesem Sinne betet, kann das ebenso erleben, wie KünstlerInnen, die sich „im Flow“ befinden, oder Menschen, die in angenehmer Umgebung eine schöne Zeit haben.

Das bedeutet, dass ewig zu leben nicht etwas ist, was (hoffentlich oder möglicherweise) nach dem Tod kommt, sondern dass es ein Zustand ist, in dem wir uns heute schon befinden können.

Lebe so, dass es für dich die Zeit nicht gibt.

Lebe bewusst, nimm deine Umgebung aktiv wahr, nimm dich selbst wahr, achte auf deinen Körper und seine Äußerungen, er-lebe deine Gefühle.

Verschwende keine Zeit, vertreib nicht die Zeit – lebe heute ewig!

Ein gutes Jahr: Klarheit 2021

16. August 2021

Wir hätten gerne, dass die Dinge klar sind: Worum geht es? Wer macht es? Wie lange dauert es? Was kostet es? Wohin soll es gehen? Warum machen wir etwas? Ist die Person, die es angeordnet hat, wirklich zuständig? Ist die Person, die es ausführen soll, dafür kompetent? Wird es den gewünschten Erfolg haben?

Aber nicht nur im wirtschaftlichen, öffentlichen Bereich gilt das, auch im persönlichen Bereich ist oft so viel unklar: Sind wir (schon/noch) zusammen? Liebst du mich? Kann ich dir trauen? Kann ich mich dir anvertrauen? Kannst du ein Geheimnis bewahren? Wird unser Kind gesund/glücklich/zufrieden sein? Werden sich meine Sehnsüchte erfüllen?

Es ist wichtig für uns, dass wir uns auskennen, denn nur so scheint es uns möglich, die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft zu planen. Erst, wenn wir wissen, woran wir sind, können wir einen Weg planen. Auch bei einer Wanderung muss man ja wissen, wo man gerade ist, um zu planen, wie man weitergehen soll.

Aber das Leben ist leider nie so. Immer wieder kommt alles ganz anders als wir dachten, immer wieder werden wir überrascht, „kalt erwischt“ von den Ereignissen des Lebens. Ich persönlich habe mich schon vor so vielen Dinge gefürchtet, die nie eingetreten sind – und vor so vielen Dingen gar nicht, die mich aber dann völlig aus der Bahn geworfen haben.

Nebenbei bemerkt: Wenn wir etwas aus Corona lernen konnten, dann das: die wahrhaft schwierigen Dinge sehen wir niemals kommen, denn wir können sie uns gar nicht vorstellen. Corona hat sichtbar gemacht, dass das Leben überhaupt nicht vorhersehbar agiert…!

Ich lebe in der Nähe eines Platzes, bei dem es ein Labyrinth gibt: Steine sind im Gras ausgelegt, die den Weg weisen. Ich bin diesen Weg schon oft gegangen, ich mag das meditative Gehen, das mich ins Innere führt. (Es ist kein Irrgarten, bei dem man den Weg selbst finden muss, sondern wenn man auf dem Weg bleibt, kommt man verlässlich ins Zentrum).

Da ich das Labyrinth gut kenne, versuche ich gelegentlich, es mit geschlossenen Augen zu gehen: Die Füße tasten nach dem Weg, der ja nicht falsch sein kann.

Und dennoch: ich habe es noch kein einziges Mal geschafft, wirklich mit geschlossenen Augen durchzugehen. Jedes Mal verliere ich bei den vielen Drehungen irgendwann die Orientierung und denke: „Es muss doch hier weitergehen“. Aber da sind Steine, und die Füße finden den Weg einfach nicht. Dann bin ich überzeugt, dass ich unabsichtlich irgendwo über eine Grenze gestiegen bin oder gar nicht mehr innerhalb des Weges bin. Ich muss dann die Augen öffnen und nachschauen, und dabei draufkommen, dass ich eh richtig war, nur die Sicherheit verloren hatte.

Ich finde, das trifft unser Leben sehr gut: Wir haben keine Ahnung, wo es hingehen wird, manchmal haben wir das Gefühl, hier kann es gar nicht weitergehen, wir fühlen uns verloren – und haben dabei doch immer die Sehnsucht, am Ziel anzukommen.

Es ist verwirrend, dieses Leben, und Klarheit ist ein Luxus, den es uns nur selten gewährt. Wir müssen das Leben vorwärts leben und rückwärts erst sind wir in der Lage, es zu verstehen. Und dennoch: Es ist gut, dieses Leben, denn es gibt niemals auf. Es geht immer weiter, und im Nachhinein wird uns oft klar, dass es eine gute Entscheidung war, die das Leben für uns getroffen hat.

Wenn man mich fragt, wie man sich entscheiden soll (angesichts der Unvorhersehbarkeit des Lebens), sage ich immer: Egal wie, Hauptsache beherzt!

Wir sehen ein paar Schritte weit in die Zukunft, das ist das Einzige, was wir wissen, und nur mit diesen Informationen können wir Entscheidungen treffen. (Denn Entscheidungen hinauszuschieben ist auch eine Entscheidung.)

Eine Klarheit haben wir im Leben: es geht immer weiter. Manchmal schleppend, manchmal hüpfend – immer aber geht es weiter. Wir müssen nur „im Sattel“ bleiben, mitmachen und uns überraschen lassen, was es für uns vorhat.

Ein gutes Jahr: Friede 2021

2. August 2021

Der August hat angefangen, der Sommer ist zur Hälfte vorbei. Für mich war in der Schulzeit der Wechsel von Juli zum August immer ein Anlass, um innezuhalten: wie bin ich so unterwegs in den Ferien? Mache ich genug von den Dingen, die ich mir für den Sommer vorgenommen habe? Oder lebe ich einfach so vor mich hin (was auch manchmal genau das war, was ich mir vorgenommen hatte!)?

Um wieder gut ins Schul- und Arbeitsjahr starten zu können, brauchen wir eine Zeit der inneren und äußeren Erholung. Das bedeutet nicht automatisch, nichts zu tun, sondern meist einfach: etwas anderes als sonst immer.

Ich habe immer wieder Menschen in der Praxis, die sich sehr bemühen, sich zu entspannen. Sie fühlen sich gestresst und versuchen nun, „alles richtig zu machen“, damit sie wieder zur Ruhe kommen können. Das ist ein guter Zugang, aber jeder gezielte Versuch, jeder geplante Zugang, sich „jetzt aber wirklich endlich“ zu entspannen, ist ja schon wieder Stress.

Daher ist es zuerst einmal notwendig, NICHTS zu tun. Den Dingen ihren Lauf zu lassen. Dem Leben zuzutrauen, dass sich schon alles finden wird, was man braucht. In diesem Sinn war mein Ferien-Stress (mache ich richtig Ferien?) natürlich auch nicht hilfreich.

Das Wort „loslassen“ ist schwierig, ich mag das Wort „sein lassen“ lieber. Vielleicht sogar „gut sein lassen“, im Sinn von „lass mal gut sein“. Es scheint manchen Menschen so schwierig, Situationen (noch viel mehr sich selbst) gut sein zu lassen. Das ist ganz im Widerspruch mit dem Zeitgeist der ständigen Verbesserung, Selbstoptimierung, Leistungssteigerung, Gewinnmaximierung.

Lass gut sein“ heißt auch: in Frieden mit sich und der Welt sein. Anzunehmen, dass es bereit gut ist, dass es gar nicht automatisch besser wird, wenn man sich mehr anstrengt. Jemand hat einmal zu mir gesagt (wie ich gerade mit der Vorbereitung eines Workshops beschäftigt war und am liebsten jedes Detail genau planen wollte): „Du glaubst auch, je mehr von dir drinnen ist, desto besser wird es.“

Tatsache ist, dass man dem Leben Raum geben muss, Platz lassen soll für das, was geschieht, weil es eh gut ist, wie auch immer es geht. Oft erkennen wir das nicht gleich, aber im Nachhinein erweist sich so vieles, was uns am Beginn als Sackgasse erschienen ist, eine gute Gelegenheit, umzudrehen, sich neu zu orientieren, und dann geht es wieder weiter, wenn auch in eine andere Richtung als wir dachten.

Friede bedeutet, zu vertrauen. Vertrauen auf das Leben, das uns immer weiterschiebt. Vertrauen darauf, dass genug da ist für uns: Liebe, Freude, Nahrung, Versorgung (jedenfalls bei uns in Mitteleuropa). Vertrauen darauf, dass wir immer wieder zu Kräften kommen, dass sich neue Wege zeigen, dass das Leben kreativer ist als unsere Angst.

Friede bedeutet, einander zuzugestehen, dass die Andere/ der Andere auch seine/ihre Bedürfnisse hat und haben darf, dass wir füreinander sorgen können ohne selbst zu kurz zu kommen, dass wir einander helfen können ohne uns selbst aufzugeben oder zu verlieren. Wer religiös ist, kann auch darauf vertrauen, dass eine höhere Macht für uns sorgt – wie auch immer sie das tut.

Lassen Sie sich diese Woche gut sein.

Lassen Sie die anderen gut sein.

Lassen Sie das Leben gut sein.

Schließen Sie Frieden mit sich, den anderen und dem Leben.

Es ist gut.