Posts Tagged ‘Vertrauen’

Ein gutes Jahr: Klarheit 2021

16. August 2021

Wir hätten gerne, dass die Dinge klar sind: Worum geht es? Wer macht es? Wie lange dauert es? Was kostet es? Wohin soll es gehen? Warum machen wir etwas? Ist die Person, die es angeordnet hat, wirklich zuständig? Ist die Person, die es ausführen soll, dafür kompetent? Wird es den gewünschten Erfolg haben?

Aber nicht nur im wirtschaftlichen, öffentlichen Bereich gilt das, auch im persönlichen Bereich ist oft so viel unklar: Sind wir (schon/noch) zusammen? Liebst du mich? Kann ich dir trauen? Kann ich mich dir anvertrauen? Kannst du ein Geheimnis bewahren? Wird unser Kind gesund/glücklich/zufrieden sein? Werden sich meine Sehnsüchte erfüllen?

Es ist wichtig für uns, dass wir uns auskennen, denn nur so scheint es uns möglich, die Gegenwart zu gestalten und die Zukunft zu planen. Erst, wenn wir wissen, woran wir sind, können wir einen Weg planen. Auch bei einer Wanderung muss man ja wissen, wo man gerade ist, um zu planen, wie man weitergehen soll.

Aber das Leben ist leider nie so. Immer wieder kommt alles ganz anders als wir dachten, immer wieder werden wir überrascht, „kalt erwischt“ von den Ereignissen des Lebens. Ich persönlich habe mich schon vor so vielen Dinge gefürchtet, die nie eingetreten sind – und vor so vielen Dingen gar nicht, die mich aber dann völlig aus der Bahn geworfen haben.

Nebenbei bemerkt: Wenn wir etwas aus Corona lernen konnten, dann das: die wahrhaft schwierigen Dinge sehen wir niemals kommen, denn wir können sie uns gar nicht vorstellen. Corona hat sichtbar gemacht, dass das Leben überhaupt nicht vorhersehbar agiert…!

Ich lebe in der Nähe eines Platzes, bei dem es ein Labyrinth gibt: Steine sind im Gras ausgelegt, die den Weg weisen. Ich bin diesen Weg schon oft gegangen, ich mag das meditative Gehen, das mich ins Innere führt. (Es ist kein Irrgarten, bei dem man den Weg selbst finden muss, sondern wenn man auf dem Weg bleibt, kommt man verlässlich ins Zentrum).

Da ich das Labyrinth gut kenne, versuche ich gelegentlich, es mit geschlossenen Augen zu gehen: Die Füße tasten nach dem Weg, der ja nicht falsch sein kann.

Und dennoch: ich habe es noch kein einziges Mal geschafft, wirklich mit geschlossenen Augen durchzugehen. Jedes Mal verliere ich bei den vielen Drehungen irgendwann die Orientierung und denke: „Es muss doch hier weitergehen“. Aber da sind Steine, und die Füße finden den Weg einfach nicht. Dann bin ich überzeugt, dass ich unabsichtlich irgendwo über eine Grenze gestiegen bin oder gar nicht mehr innerhalb des Weges bin. Ich muss dann die Augen öffnen und nachschauen, und dabei draufkommen, dass ich eh richtig war, nur die Sicherheit verloren hatte.

Ich finde, das trifft unser Leben sehr gut: Wir haben keine Ahnung, wo es hingehen wird, manchmal haben wir das Gefühl, hier kann es gar nicht weitergehen, wir fühlen uns verloren – und haben dabei doch immer die Sehnsucht, am Ziel anzukommen.

Es ist verwirrend, dieses Leben, und Klarheit ist ein Luxus, den es uns nur selten gewährt. Wir müssen das Leben vorwärts leben und rückwärts erst sind wir in der Lage, es zu verstehen. Und dennoch: Es ist gut, dieses Leben, denn es gibt niemals auf. Es geht immer weiter, und im Nachhinein wird uns oft klar, dass es eine gute Entscheidung war, die das Leben für uns getroffen hat.

Wenn man mich fragt, wie man sich entscheiden soll (angesichts der Unvorhersehbarkeit des Lebens), sage ich immer: Egal wie, Hauptsache beherzt!

Wir sehen ein paar Schritte weit in die Zukunft, das ist das Einzige, was wir wissen, und nur mit diesen Informationen können wir Entscheidungen treffen. (Denn Entscheidungen hinauszuschieben ist auch eine Entscheidung.)

Eine Klarheit haben wir im Leben: es geht immer weiter. Manchmal schleppend, manchmal hüpfend – immer aber geht es weiter. Wir müssen nur „im Sattel“ bleiben, mitmachen und uns überraschen lassen, was es für uns vorhat.

Ein gutes Jahr: Vertrauen 2021

22. März 2021

Wem können wir vertrauen, worauf können wir vertrauen? Das alles sind keine einfachen Fragen, die es aber wert sind, bedacht zu werden. Denn wenn wir niemandem oder nichts vertrauen, werden wir misstrauisch, ziehen wir uns zurück, werden einsam und eventuell sogar krank.

Vertrauen ist eine sehr einfache Sache: man nimmt an, dass das Gegenüber einem wohl gesonnen ist, dass es einem Gutes will, dass es einen nicht verletzen oder betrügen wird – und handelt entsprechend.

Vertrauen ist eine sehr schwierige Sache: man muss die Kontrolle über das eigene Leben ein Stück weit abgeben und jemand anderem überlassen. Man hat nicht mehr alles in der Hand, man ist auf andere angewiesen, das ist auch riskant.

Ich begegne häufig Menschen, die mit dem Vertrauen so ihre Schwierigkeiten haben. Sie haben schlechte Erfahrungen gemacht: in ihrer Kindheit, in früheren Beziehungen, Arbeitsverhältnissen oder anderen Lebensumständen. Aufgrund dieser Verletzungen, sagen sie, können sie niemandem mehr vertrauen, denn sie wollen nie mehr verletzt werden.

Das ist verständlich, aber auch ungemein traurig. Denn wer nichts riskiert, kann auch wenig erleben. Wer zB niemals die Wohnung verlässt, weil es draußen gefährlich ist (Corona, Unfallgefahr, böswillige Menschen, …), dem wird auch nichts davon geschehen. Aber es wird halt auch nicht sehr lebendig sein, das Leben…!

Ich rede nicht von blindem Vertrauen – das wäre tatsächlich fahrlässig. Ich rede von verantwortetem Vertrauen. Man schaut genau, wer das ist, der/dem man sich anvertraut – und geht dann den mutigen Schritt. Es wird immer ein Risiko geben, das ist niemals auszuschließen, das gehört zum Leben dazu. Die Angst will uns sagen, dass wir ganz sicher sein müssen, bevor wir vertrauen, aber das ist falsch, denn es gibt keine absolute Sicherheit im Leben.

Aber eines ist auch sicher: wenn wir alles vermeiden, was gefährlich sein könnte, dann vermeiden wir das Leben selbst.

Eine Geschichte, die ich mag, erzählt, dass ein Mensch zu einem Guru gepilgert war, der das Geheimnis des ewigen Lebens haben sollte. Der Guru antwortete: Ja, wenn du ewig leben willst, dann iss kein Fleisch, trink keinen Alkohol, tanze nicht, habe keine Liebesgeschichte, höre keine Musik, lies kein Buch, sprich mit niemandem. Der Mensch fragte: Wenn ich mich an all das halte – dann werde ich ewig leben? Der Guru darauf: Nein, aber es wird dir ewig vorkommen!

In diesem Sinne: wagen Sie den Schritt, vertrauen Sie sich (ein Stück weit und gut verantwortet) jemandem an!

Sie müssen dabei nicht alles auf einmal wagen, machen Sie einen vorsichtig-mutigen Schritt nach dem anderen.

Vertrauen Sie dem Leben, der Welt, den Menschen um Sie herum.

Werfen Sie sich ins Leben – es wartet schon auf Sie, und erleben Sie etwas, das nur dadurch möglich wird, dass Sie sich hinein begeben, sich hingeben, sich einlassen!

Beziehung-ABC: W wie Wir schaffen das!

13. Mai 2019

W wie Wir schaffen das!

Eine wichtige Eigenschaft in der Beziehung ist Optimismus. Wer sich immer nur Sorgen macht, wer ständig das Schlechteste erwartet, wird auch viel eher genau das Schlechte erreichen. Denn es gibt tatsächlich diese selbsterfüllenden Prophezeiungen.

Positiv zu sein bedeutet nicht, alle Probleme unter den Teppich zu kehren (das wäre Verdrängung) oder alles schön zu reden (das wäre unwahr). Positiv zu sein bedeutet, dass es einen großen Unterschied macht, ob man sich mit den Problemen, die sich im Laufe der Zeit stellen, im Modus des Vertrauens nähert oder im Misstrauen, ob man daran glaubt, dass es einen Weg aus der Krise gibt oder ob man sehr oft das Ganze einfach hinschmeissen will (oder damit droht).

Vertrauen stärkt die Hoffnung, dass unser gemeinsames Projekt gut ausgehen wird, dass wir immer wieder einen Weg finden werden, weil es einfach gut ist, mitsammen unterwegs zu sein. Das Gefühl der Liebe muss nicht die ganze Zeit da sein, das wäre zu viel verlangt. Aber Liebe ist mehr als ein Gefühl: es ist eine Entscheidung, miteinander wohlwollend zu sein. Diese Entscheidung entsteht aus dem Gefühl, und wenn das Gefühl dann eine Zeitlang nicht leicht zu finden ist, trägt die Entscheidung dennoch durch diese Krise.

Dabei ist eines wichtig: Genauso wenig, wie mich an einem kalten Wintertag die Erinnerung daran, dass es im Sommer wieder warm sein wird, auch nur um ein Grad wärmt, und mir immer noch genauso kalt ist wie vorher, fühlt sich die Erinnerung an das gerade nicht vorhandene Liebesgefühl wohlig oder liebevoll an. Nein, es fühlt sich genauso kalt oder leer an – aber der Unterschied ist im Kopf (nicht im Herz): die Hoffnung darauf, dass es eines Tages wieder warm sein wird, lässt mich die Kälte des Winters ein Stück leichter ertragen. Der Unterschied ist nicht fühlbar (wir können immer nur im Augenblick fühlen), der Unterschied ist in der Erkenntnis!

Und so kann auch die Hoffnung darauf, dass es eines Tages wieder leichter zwischen uns wird, dabei helfen, die Krisenzeiten positiv zu bewältigen. Aber erwarten Sie sich nicht, dass es dadurch weniger anstrengend wird – es wird nur vorstellbarer! Der Weg zueinander ist niemals leicht, aber immer lohnend, denn schließlich haben wir ja irgendwann beschlossen, dass es besser ist, gemeinsam zu sein als ohne einander, und dafür hatten wir einen guten Grund: wir lieben einander. Wenn aus uns Lieb-Haber*innen eines Tages dann Recht-Haber*innen, oder sogar Macht-Haber*innen geworden sind, dann haben wir nicht nur die Liebe zueinander, sondern meist auch ein Stück von selbst verloren.

Wir schaffen das!

Beziehungs-ABC: N wie Nähe und Distanz

21. Januar 2019

N wie Nähe und Distanz

Die Frage beschäftigt uns in Beziehungen immer (wieder): wie nahe sind wir einander, wie viel Distanz brauchen wir? Häufig kann man etwas beobachten, was wie ein Tanz aussieht: ein Schritt aufeinander zu, ein Schritt voneinander weg.

Die Sehnsucht nach Nähe oder Distanz ist meist nicht gleich ausgeprägt bei beiden PartnerInnen, und auch pro Person wechselt das immer wieder. Nähe ist außerdem etwas, was Menschen mit unterschiedlichen Aktionen oder Situationen verbinden: manche fühlen sich besonders nah, wenn sie miteinander kuscheln, andere, wenn sie sich unterstützt fühlen, gelobt oder bei gemeinsamen Handlungen. Schon alleine diese unterschiedlichen Empfindungen können zu Missverständnissen führen, es ist also wichtig, herauszufinden, was genau sich die/der PartnerIn unter Nähe vorstellt.

Wenn wir es schaffen, einander- immer wieder – sehr nahe zu kommen, dann kann das ein sehr schönes und inniges Erleben sein: wir fühlen uns fast wie eins, wir mögen dieselben Dinge, wir können die Sätze der/des Anderen vervollständigen, wir fühlen uns ganz verstanden, tief geliebt, innig verbunden. Von diesen Zeiten lebt jede Beziehung sehr lange, und wenn es – nach der ersten Verliebtheit häufig – abnimmt, fühlen wir uns wie bei einem Kater: ungeliebt, unbefriedigt, traurig.

Und manchmal brauchen wir auch das Andere: Zeit für uns selbst, „me-time“, Freiheit, alleine sein können, tun, was wir wollen ohne uns eingeengt zu fühlen. Das kann, wenn man großes Glück hat, gleichzeitig auftreten, oft tut es das aber nicht, und das kann dann zu Kränkungen, Verletzungen oder Unverständnis führen, und zwar auf beiden Seiten: die PartnerIn, die alleine sein will, fühlt sich zu Unrecht dafür kritisiert, weil sie ja nichts Falsches tut, und die, die zurück bleibt, fühlt sich alleine gelassen, verraten, verlassen. Meine Ansicht ist, dass es für die Person immer wieder wichtig ist, sich ganz mit sich selbst zu beschäftigen, die eigenen Werte, das eigene Leben zu betrachten und zu hinterfragen, eigene Erlebnisse zu machen und zu verarbeiten, damit wir dann wieder voll Freude zu unserer PartnerIn zurückkehren können.

Wichtig ist für alle Beziehungen, dass man sich darüber klar wird, was genau die Erwartungen der/des Anderen sind, wie die Bedürfnisse ausschauen und was man selbst will. Jede Beziehung braucht Phasen der Nähe, sonst lebt sie nicht. Und sie braucht Zeiten des Alleinseins, sonst kann die eigene Person zu wenig erfahren und reifen. Wenn man verstanden hat, dass beides für eine gute Beziehung notwendig ist, dass weder das eine noch das andere schlecht oder verletzend ist (oder sein muss), dann wird man eine Form finden, die für beide Seiten gut und zufriedenstellend ist. Dann kann man selbst immer wieder für sich sein und dann wieder gerne in die Nähe der/des Anderen kommen.

Beziehungs-ABC: G wie Gewohnheiten – Segen oder Fluch?

19. November 2018

person-3547740_640

Gewohnheiten – Segen oder Fluch?

Gewohnheiten sind ein Fluch: „Wir leben nur noch nebeneinander her.“

dog-1639528_640Gewohnheit ist etwas, was nach der ersten, hochemotionalen Phase, eintritt. Die erste Verliebtheit ist verschwunden und der Alltag ist eingetreten. Das ist mitunter schwer auszuhalten: es wird langweilig. Man hat schon alles gemacht, was lustig ist, man weiß schon alles aus der Vergangenheit des anderen, man hat alle Grenzen abgesteckt, alle Streitpunkte abgearbeitet. Was nun?

Eine Lösung dafür kann sein, dass wir uns etwas „Drittes“ suchen, auf das wir nun beide schauen. Im klassischen Fall sind das Kinder, es können aber auch gemeinsame Freundschaften, Engagements oder Hobbys sein. Auf diese Weise kann das gemeinsame Leben wieder spannender werden, weil von außen Eindrücke kommen, über die man sich wieder unterhalten kann.

Die andere Lösung ist, sich wieder mehr voneinander zu entfernen: jede findet ihren eigenen Kreis, weil es ja nicht möglich ist, einander „alles“ zu sein. Das ist schon wahr, jeder Mensch braucht seinen Freiraum, und den müssen wir einander auch zugestehen. Aber damit geht manchmal auch eine Enttäuschung einher, weil unsere Wünsche anders waren: mehr Gemeinsamkeit, mehr Intimität.

Gewohnheiten können aber auch ein Segen sein: Vertrautes schafft Verbundenheit.

grandparents-3436463_640Es gibt aber auch eine gute Seite der Gewohnheit: sie kann ein großes Vertrauen bewirken, das längerfristig dazu führt, dass man „im Alter gemeinsam auf der Hausbank sitzt“. Wenn wir gut aneinander gewöhnt sind, wir einander nichts mehr beweisen müssen und nicht mehr in Machtkämpfe verstrickt sind, dann können wir miteinander zur Ruhe kommen. Aneinander gewöhnt zu sein schafft Vertrauen, Gemeinsamkeit und Verbundenheit.

Gewohnheiten sind beides: Segen und Fluch.

Die Kunst besteht also darin, einander nicht für selbstverständlich zu nehmen,  nicht „eh schon alles voneinander zu wissen“, sondern sich immer wieder neu von der PartnerIn überraschen zu lassen. Und dabei gleichzeitig gemeinsam zur Ruhe zu kommen, sich aufeinander verlassen zu können. Man könnte sagen, wir streben eine „bewegte Ruhe“, eine „vertraute Fremdheit“ oder eine „neugierige Gewohnheit“ an, wenn wir sowohl den Segen als auch den Fluch der Gewohnheit nutzen wollen.

agreement-3773756_640