Wie versprochen beginne ich heute meine neue Herbstreihe, bei der ich Sie ein Stück an meiner Arbeit teilnehmen lasse. Ich stelle Ihnen heute die KlientInnen vor, von deren Therapie Sie in den nächsten Wochen etwas erfahren werden. Über jedeN werde ich also ca 1x/ Monat berichten: was in den letzten Wochen Thema war, woran gearbeitet wurde, was jedeN bewegt hat, und auch, was meine Einschätzung des Therapieverlaufs ist. Ich hoffe, Sie können davon für sich selbst etwas gewinnen, und wenn es „nur“ Ihre Neugierde ist, wie eine Therapie (bei anderen) ablaufen kann.
„Nichts fällt schwer, wenn man wahrhaft liebt und seine Pflicht kennt“: Maria-Theresia H.
Maria-Theresia ist eine viel arbeitende Mutter, die versucht, Familie und Haushalt unter einen Nenner zu bekommen. Sie ist 42 Jahre alt und seit 16 Jahren mit Franz-Stefan verheiratet. Sie hat 2 Kinder, Josef und Marie-Antoinette, ihre Familie bedeutet ihr sehr viel. Sie arbeitet seit vielen Jahren als Abteilungsleiterin einer größeren Firma. Sie muss sich in der harten Männerwelt bewähren, und zB. immer wieder darum kämpfen, dass ihre Entscheidungen durchgesetzt werden. Das hat dazu geführt, dass sie immer wieder mit Panikanfällen zu kämpfen hatte, die allerdings in der letzten Zeit schon beinahe verschwunden sind. Sie ist seit 2 Jahren in Therapie, hat insgesamt 44 Sitzungen gemacht und wird in der nächsten Zeit ihre Therapie vermutlich abschließen.
„I did it my way“: Frank S.
Frank ist ein ziemlicher Eigenbrötler, und extrem stur: er macht nichts, was ihm nicht passt. Das und seine „leicht skurrile Art“ (Eigendefinition) bringen ihn in Beruf und Privatleben immer wieder in Schwierigkeiten. Er ist 57 Jahre, war vor langer Zeit einmal verheiratet und hat aus dieser Zeit einen Sohn, mit dem er selten Kontakt hat. Beruflich hat er schon Vieles probiert, sein Hobby ist die Kunst, aber davon kann er nicht leben. Sein Beziehungsleben war ebenso wechselhaft, er hat sehr klare Vorstellungen davon, wie eine Frau zu sein hat. Zur Zeit hat er eine Fernbeziehung mit einer Frau in Salzburg, die seit einem halben Jahr läuft, bisher recht gut. Seine Therapie hat vor dem Sommer begonnen, wir hatten vor dem Urlaub zwei Sitzungen, jetzt geht es also erst richtig los.
„Manche mögen´s heiß“: Marilyn M.
Marilyn ist 34 Jahre alt, alleinstehend, „leider“, wie sie sagt. Sie hatte immer schon Probleme mit Beziehungen, im Moment hat sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, der sich nicht für sie entscheidet. Das ist nicht ihre erste Beziehung, alle anderen waren aber ebenfalls eher instabil. Sie ist aussergewöhnlich eifersüchtig und hat Probleme mit ihrem Körper, den sie nicht schön genug findet (im Gegensatz zu der Meinung anderer). Sie verwendet Sexualität als Ersatz für Liebe und ist damit ständig unglücklich. Sie sucht überall Bestätigung, empfindet aber häufig Ablehnung, die sie oft selbst durch ihre drängende Art zu provozieren scheint. Beruflich ist sie Schauspielerin ohne fixe Anstellung, sie macht Gelegenheitsjobs aller Art. Auch ihre Therapie hat eben erst begonnen.
„Das Sein und das Nichts“: Jean-Paul S.
Jean-Paul ist 44 Jahre, verheiratet, keine Kinder. Er ist schon viele Jahre depressiv, immer wieder mit Suizidgedanken verbunden. Seine Frau Simone ist sehr stark und unabhängig, sie gibt ihm nicht viel Nähe oder Wärme. Er beschäftigt sich stattdessen mit Philosophie und geht zu allen möglichen Selbstfindungskursen, bei denen er meistens der einzige Mann ist. Er fühlt sich leer und sein Leben empfindet er als sinnlos. Sein Beruf ist die Buchhaltung einer mittelgroßen Firma, was er unbefriedigend findet, da er den Eindruck hat, das auch das völlig bedeutungslos ist. Er denkt immer wieder über den Tod nach, auch von der philosophischen oder esoterischen Seite, stellt sich Fragen über ein Leben nach dem Tod, schläft deswegen oft wenig, was seine Depression erst recht steigert. Er ist seit etwa 8 Monaten in Therapie, wir hatten bisher 17 Sitzungen.
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